Tennis

Comeback wider Willen – Carina Witthöft über ihre Rückkehr auf den Tenniscourt


Carina Witthöft, ehemalige Nummer 48 der Welt, sorgt für Aufruhr in den Medien. Nach einer knapp einjährigen Pause geht sie bei der DTB Pro Series an den Start. Sportfrauen hat mit Carina Witthöft über das Comeback, die German Pro Series und Erkenntnisse aus ihrer Pause gesprochen.

Die “German Ladies Series presented by Porsche” startet am 16. Juni 2020 – und Tennisspielerin Carina Witthöft steht ganz besonders im Fokus. Das große Talent, die ehemalige Nummer 48 der Welt, nimmt den Tennisschläger wieder in die Hand. Die Tennis-Welt schaut genau hin und größere Tageszeitungen rufen das Comeback der 25-jährigen Hamburgerin, die nach einer Verletzung in der Qualifikation für die „Australian Open“ 2019 eine bewusste Auszeit nahm, herbei. Mit einer Wildcard in Gruppe III trifft Carina Witthöft auf die topgesetzte Laura Siegemund, Laura Schaeder und Next Gen Porsche Talent Alexandra Vecic.

Anfang des Jahres hatte Carina Witthöft bereits eine Einladung zum Turnier ITF Altenkirchen erhalten und diese auch angenommen. Das Turnier hatte sie 2015 gewonnen – ein gutes Omen. Auf die Zusage folgte eine verletzungsbedingte Absage. „Ich hatte einen Hexenschuss und konnte mich nicht bewegen. Schlechte Voraussetzungen für ein Tennis-Match,“ erklärt Carina die Situation im Interview. Wir fragen sie nach ihrem Comeback „aus heiterem Himmel“ wie es ihm Tennis-Magazin heißt und treffen einen Nerv bei der jungen Tennisspielerin. Von einem Comeback will die Hamburgerin selbst nicht sprechen. Sie freut sich bald wieder auf dem Platz zu stehen und „sich einfach in das Tennisspielen rein zu fühlen und ranzutasten“.

„Ich wette, aus Gewohnheit gehen wir Spielerinnen nach dem Match ans Netz, um uns gegenseitig zu gratulieren.“ Carina Witthöft über die Corona-Regeln

Über eine Rückkehr in den Profi-Zirkus möchte sie zu diesem Zeitpunkt gar nicht nachdenken, und versucht die „German Ladies Series presented by Porsche“ für sich selbst einzuordnen: „Die Serie ist ja ein bisschen wie ein Bundesliga-Ersatz. Ich hätte ja auch jetzt Punkt-Spiele gehabt. Ich wurde angefragt, ob ich das Turnier spielen möchte und habe nach etwas Überlegung zugesagt.“

„German Ladies Series presented by Porsche”

Zum Turnier nach Stuttgart reist sie mit dem Auto, gemeinsam mit ihrem Vater. Das Turnier wird unter besonderen Corona-Regeln stattfinden und u.a. ohne Linienrichter:innen und Ballkinder durchgeführt. Die Situation vor Ort will Carina Witthöft auf sich zukommen lassen. Ein Briefing durch den Deutschen Tennis Verband steht noch aus. Ein Stolperstein in der Durchführung fällt Carina Witthöft im Gespräch spontan ein: „Ich wette, aus Gewohnheit gehen wir Spielerinnen nach dem Match ans Netz, um uns gegenseitig zu gratulieren.“ Sollten nämlich die Corona-bedingten Abstandsregeln zu Turnierstart noch in Kraft sein, müssten die 1,50 m Abstand zu allen Zeitpunkten auf dem Platz eingehalten werden.

Bevor es ans Netz geht, warten jedoch drei intensive Partien auf sie. Mit Laura Siegemund steht nicht nur die topgesetzte Spielerin, sondern auch eine Lokalmatadorin auf der anderen Seite des Netzes in Stuttgart. Laura Schaeder kennt Carina Witthöft von der ITF-Tour und mit Alexandra Vecic wartet eine Unbekannte. Das Next Gen Porsche Talent Vecic hatte sich bei den Juniorinnen bis in das Halbfinale der „Australian Open“ gekämpft und wird sicherlich mit viel Selbstbewusstsein ins Match gehen. Ob die Spiele vor Publikum stattfinden können, wird gerade noch geprüft.

„Genieße die Matches und alle Erfahrungen, die du im Tennis sammelst.“

Das Jahr Pause war wichtig für Carina Witthöft und „die richtige Entscheidung“, wie sie im Interview erklärt. „Wie es weiter geht und welche Entscheidungen noch anstehen, steht auf einem anderen Blatt geschrieben“, betont sie bewusst und lässt keinen Zweifel offen, dass sie dieses unbeschriebene Blatt allein und selbstbestimmt „füllen“ kann. Das ist insgesamt der Eindruck, der entsteht: der Eindruck einer jungen Frau, die sich selbst gefunden hat und sich nicht mehr verbiegen lassen möchte. Eine junge Frau, die das Tennis spielen liebt, ob auf oder neben der Profi-Tour. Eine junge Frau, die ihren eigenen Weg gehen wird und sich der klaren Worte nicht scheut.

Sie scheint müde, ihre Aktivitäten auf Instagram zu erklären, gar verteidigen zu müssen. Sie will sich von anderen nicht in eine bestimmte Ecke drängen lassen. Kritiker:innen hatten ihr zu viel Soziale Medien und zu wenig Tennis vorgeworfen. Dass am Ende nicht ihre Karriere auf den Sozialen Medien ausschlaggebend für ihre Pause, sondern ihre kontinuierlichen Verletzungen waren, scheint in der öffentlichen Wahrnehmung von Carina Witthöft vergessen. Daraus entstanden ist ein interessantes Spannungsfeld.

„Lass dich nicht von außenstehenden Menschen, die nicht welt-bewegend für dich sind, beeinflussen und genieße die Matches und alle Erfahrungen, die du im Tennis sammelst. Sei stolz auf deine Erfolge!“ Carina Witthöft

Sportler:innen allgemein sollen ihrer Vorbild-Funktion gerecht werden und ihr Potenzial voll ausschöpfen. Die Kriterien dafür werden von jedem Fan individuell ausgelegt, und so ist die Enttäuschung vorprogrammiert, wenn Carina Witthöft ihre ganz eigene Definition von Vorbild-Funktion und Potenzial-Abschöpfung bestimmt, und eine einjährige Pause nimmt, um wieder 100% körperlich und mental fit zu werden. Vor allem in einem Sport, in dem händeringend nach erfolgreichen Nachfolgerinnen für Angie Kerber, Julia Görges und Andrea Petkovic gesucht wird.

Im Januar wurde Carina Witthöft 25 Jahre alt. 2009 im Alter von 14 Jahren wurde sie jüngste Hambuger Damenmeisterin. Sie blickt schon jetzt auf eine bewegte Karriere zurück und könnte noch zehn Jahre ohne Problem auf der Tour spielen, wenn der Körper und ihre Psyche es zulassen. Gefragt, was sie ihrem 14-jährigen Ich als Tipp mitgeben würde: „Lass dich nicht von außenstehenden Menschen, die nicht welt-bewegend für dich sind, beeinflussen und genieße die Matches und alle Erfahrungen, die du im Tennis sammelst. Sei stolz auf deine Erfolge!“ Ob sie am Ende auf die WTA-Tour zurückkehren wird, bleibt offen – das macht sie auch nicht vom Abschneiden bei der „German Ladies Series presented by Porsche“ abhängig.


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Erschienen in Tennis am 11. Juni 2020

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