Michelle Halder siegt als erste Frau bei TCR Europe
Michelle Halder siegt als erste Frau bei TCR Europe
ExklusivMichelle Halder und ihr Bruder Mike starten in diesem Jahr in der TCR Europe Tourenwagen Serie. Am zweiten Renn-Wochenende gelingt Michelle, was vor ihr noch keiner Frau gelungen ist: Sie lässt das Feld hinter sich und holt sich den Sieg.
Am vergangenen Wochenende erlebte die Motorsport-Welt eine Premiere: Als erste Frau gewann Michelle Halder (21) ein Rennen der TCR Europe Tourenwagen Serie. Am zweiten Renntag in Belgien startete sie von Position zwei und konnte schon vor der ersten Kurve die Führung übernehmen. „Ich habe keinen Fehler gemacht und die Führung nicht mehr abgegeben“, erzählt sie am Tag nach ihrem Sieg. Der Stolz schwingt in der Stimme deutlich mit.
Zweites Rennen, erster Sieg
Gemeinsam mit ihrem Bruder Mike startet die Baden-Württembergerin seit dieser Saison in der europäischen Serie im „Profi Car Team Halder“. Neben Michelle fährt nur eine weitere Frau in der Rennserie, die aus sechs Wochenenden besteht, an denen jeweils zwei Rennen gefahren werden. „Wir haben uns sehr kurzfristig entschieden, die TCR Europameisterschaft zu fahren. Aufgrund von Corona wurde der Start der Serie nach hinten verschoben, sodass wir nach der TCR Germany noch genügend Zeit hatten, einzusteigen“, erzählt Michelle. Kurzfristig heißt auch: Kaum Trainingsstunden auf den Rennstrecken. Am vergangenen Wochenende in Belgien hatten die Halder-Geschwister nur in zwei freien Trainings die Chance, die Bahn kennenzulernen. „Gerade für das Qualifying zählt jeder gefahrene Kilometer auf der Strecke.“ Für Michelle und ihren Bruder lief es dennoch gut, beide schafften es ins zweite Qualifying. Und Michelle schließlich ganz nach vorne.
Michelle Halder ließ bei diesem Rennen niemanden vorbei. Foto: TCR Europe
Zu Beginn ihrer Karriere auf der Kartbahn sagte einmal ein Junge zu Michelle: „Wenn mich das Mädchen überholt, höre ich mit dem Kartfahren auf!“ Michelle erinnert sich noch gut daran, solche Sprüche waren keine Seltenheit. Auch heute noch haben Frauen im Motorsport mit Vorurteilen zu kämpfen. „Ich kämpfe genau wie die Männer, unter dem Helm sind wir alle gleich. Aber ich musste mich erst beweisen“ sagt die 21-Jährige, die sich neben dem Motorsport als Mediendesignerin selbstständig gemacht hat.
Frauen am Steuer im Hause Halder
Im Hause Halder waren Vorurteile nie ein Thema. Schon die Mama war im LKW unterwegs und hat gezeigt, dass Frauen genauso gut mit dem Steuer umgehen können wie Männer. Als kleines Mädchen war Michelle dann mit ihrem drei Jahre älteren Bruder oft an der Rennstrecke. „Ich wollte unbedingt selbst fahren, auch wenn meine Mama das zuerst verhindern wollte. Aber sie konnte mich nicht davon abbringen.“ Michelle lacht, als sie sich daran erinnert, wie sie im Kart ihres Bruders saß und erst dann wieder aussteigen wollte, wenn sie ein eigenes Kart bekäme. Mit Erfolg. Seither kann sich Michelle ein Leben ohne Motorsport nicht mehr vorstellen.
Der Nervenkitzel auf der Rennstrecke, das Adrenalin und das ständige Bewegen am Limit – das ist, was Michelle an dem Sport so liebt. Das Risiko blendet sie beim Fahren aus. Ihr Vorbild: der große Bruder. Viele Jahre sind die beiden in verschiedenen Serien gestartet. „Als wir dann gemeinsam an den Start gegangen sind, war das am Anfang schon komisch. Einfach weil er älter und erfahrener ist. Aber mittlerweile ist das total super, wir können voneinander profitieren“, sagt Michelle. „Und wir können uns zu zweit besser vermarkten.“
Michelles Traum: Vom Motorsport leben können
Bruder und Schwester im Motorsport und dann auch noch erfolgreich, das gibt es selten. Die Halders nutzen das, um Sponsoren an Land zu ziehen. Der Motorsport ist schließlich eine teure Angelegenheit. Michelles Ziel ist, einmal davon leben zu können. Daher hofft sie auf das Angebot einer Automarke, um dann für diese als Werksfahrerin starten zu können. „Das wäre mein absoluter Traum und ich gebe nicht auf, darum zu kämpfen“, sagt sie. Ein Erfolg wie am Sonntag hilft dabei natürlich.
Michelle Halder auf dem Podium. Foto: TCR Europe
Viel Zeit zum Feiern blieb den beiden nicht. Anders als viele andere Fahrer, die nur zur Rennstrecke kommen, fahren und wieder gehen, müssen Michelle und Mike sich selbst um ihre Fahrzeuge kümmern. Heißt: Mit dem Truck anliefern, alles einstellen und aufbauen und nach dem Rennen auch wieder einpacken. Klar, nicht allein, aber so bleibt nach einem Rennen immer genügend Arbeit. „Aber genossen habe ich meinen Sieg natürlich trotzdem.“ Auch Mike gönnt der kleinen Schwester den Sieg. Auf Instagram schreibt er: „Den besten Job hat meine Schwester gemacht, sie hat einfach das Rennen gewonnen. Was für ein Erfolg. Ich freue mich riesig für sie.“ Immerhin zählt der Sieg ja auch für die Teamwertung – und bleibt in der Familie.
Erschienen in Motorsport am 17. September 2020
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