Energievoll, ehrgeizig, effektiv : Boulderin Miriam Pracki im Porträt

Sie liebt das Bouldern und sein Umfeld: Miriam Pracki (34) lebt ihre Leidenschaft gemeinsam mit ihrer Familie.

Eine Staubwolke wirbelt auf, als sich Miriam Pracki (34) die Hände an der Hose abklopft. Sie lacht kurz auf, ein fester Händedruck zur Begrüßung, da ist sie auch schon wieder weg. Händewaschen. Von Chalk befreit ‚Äì dem besten Freund beim Klettern ‚Äì setzt sie sich. Die blauen Augen funkeln wachsam, hin und wieder schweift der Blick durch die Boulderhalle der Augsburger Bloc Hütte. Irgendwo an den Wänden mit den bunten Griffen hängen ihr Mann und die beiden Töchter. Bouldern ist für die vier zum Familiensport geworden.

Miriam Pracki, 1,57 Meter groß, drahtiger Körper, kurze blonde Haare. 2017 boulderte sie in der Bundesliga, am Ende reichte es für Rang 32. ‚ÄûIch habe mich da nur zum Spaß angemeldet‚Äú, erzählt sie. Ihre Leistung bei zwei Stationen reichte bis zum Finale. ‚ÄûDa konnte ich leider nicht teilnehmen, mein Bruder feierte seinen Geburtstag.‚Äú Den Sport sieht Miriam Pracki eben als Vergnügen, dem sie dann nachgeht, wenn es gerade passt. Und hört man der 34-Jährigen zu, wenn sie über Urlaube und ihren Tagesablauf spricht, scheint es oft zu passen.

Miriam Pracki hat den Lifestyle beim Bouldern voll übernommen

Auf dem Weg zum Baumarkt in Rosenheim bemerkt die damals 23-jährige Innenarchitektur-Studentin ein Plakat. Eine neue Kletterhalle sollte eröffnen. ‚ÄûNoch vor der Eröffnung bin ich da hin und habe mich für einen Top-Rope-Kurs angemeldet‚Äú, sagt Miriam Pracki. Ein Anfänger-Kurs, schließlich war die gebürtige Ulmerin bis dahin noch nie in einer Kletterhalle gestanden. Der Kurs ist der Beginn einer Liebe ‚Äì in zweierlei Hinsicht. Ihr Kletterpartner wird auch Miriam Prackis fester Freund. "Er war verliebt und hat deshalb den Ehrgezig entwickelt, mir das alles beizubringen." Miriam Pracki lacht, als sie von ihren sportlichen Anfängen erzählt. Doch Anfängerin bleibt sie nicht lange. Schnell wird die Studentin besser und übernimmt bald den Lifestyle eines Kletterers. Heißt: Skitouren, bouldern, freeriden und viel frische Luft in der Bergwelt.

Für ihren Mann Piotrek und die beiden Mädchen gehört das heute wie selbstverständlich dazu. Wenn es in den Urlaub geht, dann in Gegenden mit Fels. "Ich will aber auch Städte sehen, coole Läden, kleine Caf√©s, tolle Hotels", sagt Miriam Pracki. Berufskrankheit. Als Innenarchitektin holt sich die 34-Jährige hier Impulse. Denn nach dem Studium in Rosenheim zieht es sie wieder zurück in die Heimat, wo sie in das Geschäft ihrer Mutter eingestiegen ist. Dort richtet sie Räume ein, macht zudem für die Arztpraxis ihres Mannes die Buchhaltung, kümmert sich um Haushalt und die beiden Kinder ‚Äì und findet trotzdem immer Zeit für ihren Sport. "Notfalls höre ich mit laufen oder Fitness auf", sagt Miriam Pracki, die bei diesem Thema einen ernsten Gesichtsausdruck bekommt. "Aber bouldern werde ich immer. Das ist mein Ausgleich."

Bouldern und scheitern gehören für sie zusammen

Ob im Büro bei einem Projekt oder bei einem Boulder in der Halle: Miriam Pracki bevorzugt einen schnellen Abschluss. Und wenn dann einmal etwas nicht gleich klappt? "Die Sonne geht auch auf, wenn ich an etwas scheitere", sagt Miriam Pracki. Das Scheitern gefällt ihr sogar. Beim Bouldern sei das eben "part of the game", wie sie es nennt. Schlimmer sei, etwas gar nicht zu versuchen. "Manchmal bist du auch froh, wenn du nur einen einzigen Zug schaffst." Bouldern ist für sie ein dreidimensionales Training vom Finger bis zum Zeh. Und eine kognitive Leistung. Die perfekte Mischung.


An Bouldercups hat Miriam Pracki früher oft teilgenommen: an den Rosenheimer Stadtmeisterschaften, den Soul Moves Süd, dem Black Diamond Bouldercup, den Hard Moves Boulderleague. Die Platzierungen lagen meist in den Top Ten, oft schaffte es Miriam Pracki ins Finale.


IMG_7449.JPG Sie bouldert dynamisch und entwickelt für eine Frau enorme Kräfte in den Händen. Foto: privat

Es sind nicht nur die spielerischen Bewegungen, die kreativen Lösungen, die Miriam Pracki am Bouldersport so reizen. Es sind die Kontakte, die durch die gemeinsame Leidenschaft entstehen. In allen Boulderhallen von Darmstadt bis Innsbruck kennt Miriam Pracki jemanden. Und: "Ich habe bald in jedem Land Europas Bekannte." Bei Veranstaltungen oder draußen am Fels trifft sie auch schon mal Stars der Szene wie Shauna Coxy oder Jan Hojer. Distanz zwischen Profis und Amateuren ist beim Bouldern kein Thema.

Miriam Pracki wird unruhig. Sie knetet die Finger, die Nägel sind bouldertypisch kurz und unlackiert. Der wache Blick schweift ab und die 34-Jährige grinst. "Ich bin heute noch zu nichts gekommen, weil ich mich mit so vielen Leuten unterhalten habe." Sie will jetzt trainieren, die viele Energie, die sie in sich trägt, muss raus. Da hat sie auch die Tatsache, als sie damals mit ihrer Tochter im neunten Monat schwanger war und 15 Kilo mehr mit sich herumgetragen hat, nicht abgehalten. Sie springt vom Stuhl auf, winkt ein paar Leuten zu und verschwindet dann hinter den bunten Wänden. Dorthin, wo ihr Lebensmittelpunkt steckt: ihre Familie und ihre größte Leidenschaft.

Lesen Sie das Porträt einer weiteren Boulderin: Romy Fuchs: Eine Münchnerin klettert nach ganz oben

Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Sportarten am 21. Januar 2018

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