Handballerin Amelie Bayerl: Aus Anzing in die Welt

Sie gilt als größtes Talent in der Region und ist schon Leistungsträgerin in der 3. Liga. Der 19-jährigen Handballerin Amelie Bayerl wird eine große Karriere vorausgesagt. Die in einem kleinen Ort begann.

„Sorry, ich war im Stau gestanden“, entschuldigt sich Amelie Bayerl, als sie mit etwas Verspätung am vereinbarten Treffpunkt erscheint. Sie lacht die Unannehmlichkeit einfach weg. Die 19-Jährige ist gut gelaunt. „Eigentlich bin ich immer fröhlich“, erzählt Bayerl. Ihre langen braunen Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz geflochten. Zum Interview erscheint die Anzingerin im sportlichen Outfit. Schwarze Jogginghose statt Blue-Jeans. Schließlich bittet kurz danach ihr Trainer in die Halle.

Doch trotz Zeitdruck hat sich die Handballerin des Drittligisten HCD Gröbenzell vor dem Training Zeit für ein Interview genommen. Dass sie den ortsfremden Reporter, der sie portraitieren möchte, vom Bahnhof abholt, ist für die junge Sportlerin kein Problem. „Ich schaue schon immer, ob jemand Unterstützung braucht und helfe, wenn ich kann“, sagt Bayerl über ihre Hilfsbereitschaft. Und wieder hat sie ein breites Grinsen im Gesicht. Die Anzingerin ist entspannt, obwohl sie derzeit angespannt sein müsste.

Denn Amelie Bayerl steht gleich in doppelter Hinsicht vor entscheidenden Wochen. Zum einen kämpft sie vier Spieltage vor dem Ende der Spielzeit mit ihrem HCD noch um den direkten Aufstieg in die 2. Bundesliga. Zum anderen stehen in Kürze die Abiturprüfungen an. „Momentan ist es schwierig, Schule und Sport zu vereinbaren“, gibt Bayerl zu. Dreimal in der Woche bittet HCD-Trainer Hendrik Pleines seine Damen zum Training in die Wildmooshalle. Am Wochenende geht’s dann oft quer durch Süddeutschland auf Punktejagd. „Ich komme nach der Schule heim, eine Stunde später gehe ich dann ins Training und setze mich danach nochmal eine Stunde an den Schreibtisch und lerne.“

Im Sommer die nächste Herausforderung

Sind die Prüfungen überstanden, hat Bayerl aber nur wenig Zeit, sich von den Strapazen zu erholen. Denn bald schon warten die nächste Aufgaben. Mit der U19-Nationalmannschaft tritt sie im Juli in Slowenien bei der EM-Endrunde an. Es ist ihre zweite Europameisterschaft, seitdem sie vor drei Jahren den Sprung in den Nachwuchs des Deutschen Handballbundes (DHB) geschafft hat. „Das ist jedes Mal aufs Neue ein besonderer Moment. Wenn die Hymne erklingt, realisierst du, für wen du hier spielst“, erzählt die Rückraumspielerin, die auch schon eine Weltmeisterschaft gespielt hat. Zudem spielt Bayerl in einer Beachhandball-Mannschaft und wurde im Sand schon deutsche Meisterin. Damals noch im Trikot des TSV Ismaning. Für den debütierte sie einst mit 16 in der Bayernliga.

DSC_0046.jpg Der aus Anzing stammenden Bayerl wird eine große Karriere zugetraut. Foto: Tobias Herrling

Seit zwei Jahren hingegen trägt sie das des HCD Gröbenzell, lenkt eine Liga höher das Spiel und übernimmt die Verantwortung auf der Mitteposition. Wie ihr das trotz ihrer jungen Jahren gelingt? „Der Trainer hilft einem sehr, aber auch die anderen Mitspielerinnen, die auch auf der Mitte spielen“, sagt Bayerl und nennt erfahrene Kräfte wie Vera Balk und Svenja Jänicke, von denen sie sich einiges abschaue. Aber müssten sich nicht ihre Mitspielerin etwas von ihr abschauen?

Schließlich überzeugt die 19-Jährige mit guten Leistungen und hat großen Anteil am Erfolg der Gröbenzeller Damen. „Der Verein ist familiär geführt und man fühlt sich sehr wohl“, sagt Bayerl über ihren Klub, mit dem sie 2016 nur knapp den Aufstieg in die 2. Bundesliga verpasste. Auch in dieser Saison spielt der HCD wieder oben mit und liegt punktgleich mit dem SC Korb auf Rang zwei.

Weil der direkte Vergleich aber für Korb spricht, rechnet Bayerl mit der erneuten Relegation. „Das waren mit den Länderspielen schon die Höhepunkte bisher“, sagt die 19-Jährige, die einst mit sieben Jahren in Anzing mit dem Handball anfing. Ein Höhepunkt, der sich in diesem Jahr wiederholen könnte. Und vielleicht sogar mit dem Aufstieg gekrönt wird? Denn dass Amelie Bayerl hoch hinauswill, daraus macht sie keinen Hehl. „Mein Traum ist es, einmal in der ersten Liga zu spielen.“ Das trauen Kenner der Szene ihr durchaus zu. Sie sich auch?

Die zwei Seiten der Amelie Bayerl

„Ich muss noch ordentlich im körperlichen Bereich zulegen, aber zutrauen würde ich mir das irgendwann einmal.“ Doch während Bayerl auf dem Feld vorangeht und Verantwortung übernimmt, ist sie privat das Gegenteil. „Ich bin schon eher ein ruhiger Typ und nicht so der Lautsprecher.“ Auf dem Feld aber kann sie auch schon einmal aus sich herausgehen. „Durch die Emotionen kommt das auf dem Spielfeld von alleine.“ Handball ist aber nicht der einzige Sport, den Bayerl beherrscht.

„Ich habe auch Tennis gespielt und bin Skigefahren“, erzählt die Rechtshänderin, die ihr sportliches Talent von ihren Eltern Ralph und Ingrid bekommen habe. „Aber woher ich das Handball-Talent habe, das weiß ich auch nicht“, sagt Bayerl mit einem Schmunzeln. Denn mit dieser Sportart hatte in ihrer Familie niemand etwas am Hut. „Eine Freundin hat mich einmal zum Training genommen und mir hat das so gut gefallen, dass ich dabeigeblieben bin.“ Ihr sportliches Vorbild ist eine gute Bekannte.

DSC_0036.jpg Vor ihrem Wohnzimmer: Die 19-Jährige geht für den Drittligisten Gröbenzell auf Torejagd. Foto: Tobias Herrling

„Isabell Klein ist meine Lieblingsspielerin.“ Klein schaffte einst von Ismaning aus den Sprung in die Bundesliga und zur Nationalspielern. Schlägt zehn Jahre später Amelie Bayerl aus dem beschaulichen Anzing einen ähnlichen Weg ein? Die Voraussetzungen scheinen zu passen. Aber auch wenn Amelie Bayerl mit reichlich Talent gesegnet ist, gibt es etwas, das sie nicht beherrscht. „Ich habe früher mal Saxophon gespielt, aber das war nichts für mich“, erzählt Bayerl. Und wieder muss die 19-Jährige lachen.

Verfasst von Tobias Herrling

Erschienen in Handball am 24. April 2017

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