Liane Lippert: ,Mehr Aufmerksamkeit für den Frauenradsport wäre toll'

Wenige Rennen, noch weniger Zuschauer: Dem Frauenradsport in Deutschland könnte mehr Aufmerksamkeit nicht schaden. Eine, die schon seit Jahren ganz vorne mitfährt, ist Liane Lippert. Mit Sportfrauen hat sie über ihren Weg gesprochen.

Dass Frauen genauso hart einstecken können wie Männer, hat Liane Lippert bei der Radsport-EM in den Niederlanden bewiesen. Der starke Wind in der flachen Gegend um Alkmaar blies die 21-jährige Fahrerin aus Friedrichshafen regelrecht von der Straße. Das Rennen, bei dem ihre Kollegin Lisa Klein Bronze holte, war für Lippert dadurch beendet.

Teilnahme bei UCI-Straßen-WM in Yorkshire

Nichts, was sie lange vom Radfahren abhalten könnte. Lippert ist Expertin für Bergstrecken, da macht ihr kaum eine was vor. Daher könnte ihr der wellige Kurs bei der UCI-Straßen-WM in Yorkshire (22. bis 29. September) gut liegen. "Ich hoffe, dass ich dabei sein kann. Die Nominierung wird aber erst kurz zuvor bekannt gegeben", sagt sie. Nach einer Krankheitsphase im Frühjahr hat sie zu sehr guter Form zurückgefunden. Im Juni fuhr sie am vierten Tag der OVO Women's World Tour auf den zweiten Platz und übernahm zunächst die Spitze der Gesamtwertung. Ein toller Erfolg.

Auf dem Rad sitzt Lippert seit sie acht Jahre alt ist, Rennen fährt sie seit beinahe zehn Jahren. "In meinem Heimatverein RSV Seerose hat mich mein Papa mal zu einem Mountainbike-Rennen mitgenommen. Als einziges Mädchen habe ich gewonnen – das hat mich motiviert", sagt Lippert und lacht. Nach dem ersten Rennen mit zwölf Jahren wurde der Trainingsaufwand höher, die Stunden auf dem Rad mehr. "Irgendwann konnte mein Papa dann nicht mehr mithalten."

Kaum Zuschauer bei Rad-Rennen in Deutschland

Nach dem Schulabschluss stieg Lippert direkt ins Profiteam Sunweb ein. Die Mannschaft trainiert häufig in den Niederlanden. Was Lippert dort bemerkt: Der Radsport, speziell im Bereich der Frauen, hat dort einen ganz anderen Stellenwert. Ähnlich wie in Belgien oder England. "Die Leute sind dort total begeistert, auch die Preisgelder sind an die der Männer angepasst", sagt Lippert. Anders in Deutschland: Bei den wenigen Rennen der Frauen stehen kaum Zuschauer am Straßenrand.

Der Weltverband hat einige Reformen angekündigt. Unter anderem sollen Profiteams ihren Fahrerinnen ab 2020 einen Mindestlohn zahlen. Lippert ist gespannt, wie das in der Praxis aussehen wird. Sie kann derzeit vom Sport leben, doch viele andere Teams hätten gar nicht das Geld, den Fahrerinnen genug zu zahlen. Was fehlt, ist die Aufmerksamkeit. "Wenn einige Strecken angepasst an die der Männer angeglichen würden, wäre das auch für die Zuschauer interessanter. Klar, nicht alle Frauen können das fahren. Aber mehr Aufmerksamkeit für den Frauensport wäre toll."

Teilnahme bei Frauenrennen bei Tour de France

Ein kleiner Schritt: Zum sechsten Mal hat dieses Jahr das Frauenrennen im Rahmen der Tour de France stattgefunden. 121 Kilometer über einen mittelschweren, hügeligen Rundkurs, der in großen Teilen über die Zeitfahrstrecke der Männer führte. Auch Lippert war als eine von zwei Deutschen dabei, schon zum zweiten Mal. "Weil die Männer danach das Zeitfahren hatten, standen deutlisch mehr Zuschauer am Rand als sonst. Auch viele Deutsche. Das war ein tolles Erlebnis." Sie fuhr in einer Ausreißergruppe mit und machte damit den Weg frei für ihre Teamkollegin Leah Kirchmann, die am Ende Zweite wurde.

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Der erste Podest-Platz für Liane Lippert bei der World Tour. Foto: Corvos

Lippert hat ihren Vertrag bei Sunweb bis 2022 verlängert. Ihr Ziel: zu den besten Fahrerinnen der Welt zu gehören. Die nächste Etappe wäre für sie die Teilnahme bei den olympischen Spielen in Tokyo. "Der Kurs soll richtig schwer sein", sagt sie. "Das wäre ein Traum. Ich schätze meine Chancen ganz gut ein, aber mal sehen in welcher Form ich im nächsten Jahr bin." Zunächst erholt sie sich aber zuhause noch von ihrem Sturz bei der EM.


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Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Radsport am 22. August 2019

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