Romy Fuchs: Eine Münchnerin klettert nach ganz oben

Die Münchnerin Romy Fuchs (16) klettert auf Leistungsniveau. Sie war schon bei der Jugend-WM in China und misst sich mittlerweile mit Erwachsenen. Ihr Anspruch als die höchste Kletterwand der Welt.

Romy Fuchs, pinkes Shirt, kurze Sporthose und die Haare zu einem dicken Zopf geflochten, lässt sich in rund zehn Metern Höhe ins Seil hängen. Sie blickt nach unten und wartet auf die Anweisung ihres Trainers. Nochmal probieren, lautet die. Romy Fuchs richtet den Blick konzentriert nach oben, spannt die Muskeln an und umfasst die roten Griffe an der Wand. Dann klettert sie los, affenartig und schnell. Bis zum Buzzer ganz oben schafft sie es aber nicht

Was Romy Fuchs im Kletterzentrum des Deutschen Alpenvereins (DAV) im Münchner Stadtteil Freimann trainiert, nennt sich Speed. Es ist eine von drei Disziplinen beim Klettern, neben dem Seilklettern (Lead) und Bouldern die neueste (siehe unten). Letzteres ist die Lieblingsdisziplin der 16-Jährigen aus dem Münchner Osten, die schon seit zehn Jahren regelmäßig Wände und Felsen erklimmt. Im Bouldern, dem Klettern ohne Sicherung, zählt Romy Fuchs zu den Besten ihres Alters weltweit.

„Speed ist nicht so meins“, sagt Romy Fuchs, die im Nationalkader klettert. Sie grinst. „Eigentlich rennt man dabei ja nur die Wand hoch.“ Die akrobatischen Bewegungen und Einzelzüge beim Bouldern, die zum Teil maximale Kraft erfordern, reizen sie mehr. Dass sie bis vor einigen Jahren in einer Akrobatikgruppe geturnt hat, hilft ihr heute. Fürs Turnen bleibt bei vier bis fünf Mal trainieren pro Woche aber kaum noch Zeit.

8M3A5309.jpg Beweglichkeit vom Akrobatik-Turnen kan Romy Fuchs im Klettersport gut brauchen. Foto: Stefan Huber

Gerade für Wettkämpfe, die in der Hauptsaison im Frühling und Sommer jedes Wochenende stattfinden, braucht ein Kletterer auch eine gute Grundlagenausdauer. Wenn Romy Fuchs nicht in der Halle sportartspezifisch trainiert, geht sie schwimmen oder macht einen „gechillten halbe-Stunde-Lauf“. Ihr Leben ist auf Sport ausgelegt. Auf die Frage, wie sie all das mit der Schule vereinbaren kann, erwidert sie: „Ich schaffe das mit der Schule nur, weil ich so viel Sport mache.“ Sie braucht den Ausgleich. Nach dem Training sei mehr Energie zum Lernen da.

Während sie erzählt, dass sie am besten unter Zeitdruck lernen, knetet Romy Fuchs ihre Finger. Sie zupft an der Haut. Wegen der rauen Griffe holt sie sich hin und wieder Blasen an den Fingerspitzen, die Haut dort ist dünn. An anderen Stellen hat sich eine dicke Hornhaut gebildet. „Meine Hände und Füße sind nicht gerade schön“, sagt Romy Fuchs und lacht. Von Blasen lässt sie sich aber nicht aufhalten. Die Stelle wird dann eben getaped. „Ich trainiere gerne hart.“

Ob im Training der Buzzer am Ende einer Speedstrecke oder beim Wettkampf eine schnellere Zeit als der Gegner - sportliche Ziele hat die 16-Jährige viele. Einige hat sie schon erreicht. Mit neun Jahren hat sie sich für den Wettkampfkader des DAV qualifiziert, nach dem Sieg beim Deutschlandcup vor drei Jahren öffnete sich die Tür zum Nationalkader. In all den Herausforderungen sieht Romy Fuchs vor allem eines: „Es ist immer ein Kampf gegen mich selbst.“ Und gegen die Wand.

In den Kletterhallen Münchens ist Romy Fuchs zuhause. Als sie als Fünfjährige mit dem Sport begonnen hat, inspiriert von ihren Eltern, war sie meist in der DAV-Halle in Thalkirchen. Die ist weniger modern, die Boulderrouten mussten extra zum Training montiert werden. „Das sind die Orte, an denen man stark wird.“ Heute kennt sie beinahe alle großen Hallen Deutschlands, jedes Wochenende ist sie unterwegs.

8M3A0247 Kopie.jpg Beim Sport trägt die Münchnerin die Haare meist geflochten. Foto: Stefan Huber

Nicht nur an deutschen Kletterwänden kennt sich die Münchnerin aus, ihre Erfahrungen reichen bis nach China. Dort fand im vergangenen Jahr die Jugend-Weltmeisterschaft statt. Romy Fuchs ging im Seilklettern und Bouldern an den Start, mit ihrem Ergebnis ist sie aber nicht zufrieden. Sie landete auf dem 18. und 17. Rang. Beim Bouldern war ihr Ziel das Halbfinale, das hat sie geschafft. „Weil es aber in der Quali mit Rang fünf so gut lief, hatte ich mir mehr ausgerechnet.“ Die Runde im Halbfinale war schwierig, die Münchnerin wählte die falsche Variante, an den Boulder heranzugehen. „Und da verlierst du zu viel Kraft.“ Sie hat gelernt, aus Niederlagen zu lernen.

Heuer findet die WM in Innsbruck statt. Ob Romy Fuchs dabei sein wird, steht noch nicht fest. Im Nationalkader klettern bei der Jugend A fünf „starke Mädchen“, wie die Leistungssportlerin ihre Teamkollegen beschreibt. Nur vier dürfen aber mit zur WM. Für Romy Fuchs stehen mit Europacups in Portugal, Graz und Frankreich noch zahlreiche andere Wettkämpfe an. Auch in Weltcups bei den Erwachsenen geht sie an den Start.

Ihre Leidenschaft ist aber der Fels. „Da hast du mit versteckten Tritten noch viel mehr Möglichkeiten“, schwärmt Romy Fuchs. „Da hänge ich mich ewig in so eine Route rein.“ Mit dem Bayernkader verbringt sie die Osterferien in Frankreich beim Bouldern, mit ihren Eltern fährt sie über Pfingsten nach Griechenland zum Seilklettern. Pause vom Klettern braucht und will Romy Fuchs keine. Sie tauscht lediglich in den Ferien die vom Kalk verstaubte Luft der Halle gegen frischen Wind.

Romy Fuchs steht unten am Boden bei ihrem Trainer. Mit dem Tablet hat Victor Funk, Wettkampftrainer beim DAV, gefilmt, wie sie sich beim Speed angestellt hat. Die Münchnerin hört sich an, was er ihr erklärt. Sie nickt und zupft an ihrer kurzen Hose. Nach einer Pause hakt sie das Seil wieder in ihren Gurt und geht zur Wand. Neuer Versuch. Romy Fuchs setzt an und „rennt die Wand hoch“. Diesmal geht es ein Stück höher. Sie wird es solange probieren, bis sie es nach ganz oben schafft. Nicht nur an dieser Wand.

Die drei Disziplinen beim Wettkampfklettern

Beim Leadklettern, also das Klettern mit Seilsicherung, geht es an rund zehn bis 20 Meter hohen Kunstwänden nach oben. Dabei kommt es vor allem auf Kraft, Ausdauer sowie technische und taktische Finesse an.

Beim Bouldern wird in Absprunghöhe geklettert, ohne Seil. Im Vordergrund steht dabei, schwere Einzelzüge oder Bewegungsabläufe zu bewältigen.

Beim Speedklettern entscheidet, wie der Name schon sagt, die Geschwindigtkeit über den Sieg. Dabei sind vor allem Schnell- und Maximalkraft sowie Greif- und Trittpräzision gefragt. Es gibt eine standardisierte Speedwand mit einer festen Abfolge von Griffen. Die Kletterer müssen am Ende der Route einen Buzzer betätigen, der die Zeit anhält. Gesichert wird beim Speed mit Seilsicherung von oben (toprope).

Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Bergsport am 02. Mai 2017

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