Fußball

Julia Simic über die Initiative 'Play for her', ihre neue Trainerinnen-Position und den Status Quo des Frauenfußballs

ExklusivJulia Simic hat vor wenigen Wochen ihre Profi-Karriere beendet. Damit kehrt sie dem Fußball aber keineswegs den Rücken. Die 32-Jährige wird U17-Co-Trainerin, plant eigene Fußball-Camps und will mit der Initiative "Play for her" den Frauenfußball vorantreiben.

Lina Magull, Julia Simic, Laura Vetterlein: drei Freundinnen, drei großartige Fußballerinnen, drei Vorbilder. Das Trio hat sich zusammengeschlossen, um mit der Initiative „Play for her – by B42“ junge Fußballerinnen zu inspirieren und ihnen zu zeigen, dass es sich lohnt, ihrer Fußball-Leidenschaft nachzugehen. „Wir wollen unser Potenzial und unsere Expertise bündeln und authentisch, witzig aber auch mal ernst den Nachwuchsfußball der Frauen anschieben“, sagt Julia Simic, die bis zu dieser Saison beim AC Mailand gespielt hat, ihre Karriere aber vor wenigen Wochen beendete.

Mit "Play for her" junge Spielerinnen inspirieren

Ein Grund, warum Simic mit dem Leistungssport aufgehört hat: ständige Verletzungen. Über die richtige Vorbeugung aber auch die Rehabilitation danach informiert sie auf dem Instagram-Kanal von „Play for her“. Lina Magull gibt dagegen Tipps für die richtige Ernährung, Laura Vetterlein über Mind-Set und mentales Training. „Wir wollen Wissen vermitteln und mit der Community in Kontakt treten, welche Fragen sie hat“, erzählt Simic. Und jede der drei Fußballerinnen kümmert sich eben um das Thema, mit dem sie sich selbst am besten auskennt. Dazu posten die drei nicht immer aus der Ich-Perspektive, sondern lassen auch andere Spielerinnen ihre Geschichte erzählen und arbeiten viel mit informativen Grafiken.

Das erste Mal richtig schwer verletzt hat sich Julia Simic, als sie 2011 ihr Debüt in der Nationalmannschaft gegeben hat. Im ersten Training war nach 40 Minuten schon wieder Schluss: Kreuzbandriss. Simic bezeichnet es als den besten Moment für eine Verletzung. Wieso? „Ich war so motiviert und wusste, dass ich es wieder genau dorthin schaffen kann. Daher fiel mir das Comeback nicht so schwer.“ Doch direkt danach passierte es wieder, wieder ein Kreuzbandriss. Diesmal waren die Reha und der Kampf zurück auf den Rasen umso schwerer. „Ich wusste ja jetzt, was für eine harte Zeit auf mich zukommt.“ Viele haben an Simic gezweifelt – doch das hat die Nürnbergerin nur noch mehr motiviert, auch diesmal wieder durchzustarten.

Alles geben für den Fußball

FC Bayern, Turbine Potsdam, VfL Wolfsburg und FC Freiburg waren Simics Stationen in der deutschen Bundesliga. Danach spielte sie zwei Jahre bei West Ham United und eine Saison beim AC Mailand. Außerdem durchlief sie beim DFB alle Mannschaften von der U15 bis zur A-Nationalmannschaft. Sie sagt: 

Vor allem dann, wenn ich verletzt war, habe ich gemerkt, wie viel mir der Sport bedeutet. Für den Fußball würde ich alles tun und mit dieser Leidenschaft habe ich mich immer wieder zurück auf den Platz gekämpft.

Auch wenn Simic die vergangenen drei Jahre nicht in Deutschland gekickt hat, hat sie die Liga nie aus den Augen gelassen. „Wobei es gar nicht so einfach war an Informationen zu kommen, wenn ich nicht direkt danach gesucht habe“, sagt Simic. „Nicht nur, dass gar nicht alle Spiele live übertragen werden, auch an Hintergrundgeschichten über die Spielerinnen mangelt es.“ Gerade aus England war Simic da anderes gewohnt. Da berichtet regelmäßig BBC, zahlreiche Kampagnen machen die Spielerinnen zu Vorbildern. Nicht selten hat Simic etwa in der U-Bahn junge Mädchen und Jungen mit Trikots von Spielerinnen der englischen Liga gesehen. Der Traum, Profifußballerin zu werden, sei in England viel größer.

Der Frauenfußball braucht mehr Vorbilder

Seit Simics Karrierestart 2005 beim FC Bayern hat sich zwar einiges positiv verändert in Deutschland. Und gerade 2011, als die Frauen-WM zuhause stattfand, erlebte der Frauenfußball einen Hype. Viele Spielerinnen waren bekannt, auch wenn die deutsche Mannschaft bereits im Viertelfinale ausschied. „Die Euphorie von damals ist verloren gegangen, man hat es in Deutschland verpasst, den Frauenfußball weiter zu vermarkten“, stellt Simic fest. Man müsse weg von rein sportlichen Aspekten und die Geschichten der Spielerinnen erzählen. Vorbilder schaffen für die nächste Generation.

Simic kann eines dieser Vorbilder sein. Auch wenn sie Ende März ihr Karriereende bekannt gegeben hat, will sie auf keinen Fall aus der Fußballszene verschwinden. Im Gegenteil. Sie will sie mitprägen. Als Co-Trainerin der U17-Nationalmannschaft ist sie dazu genau an der richtigen Position. „Ich freue mich total auf die Aufgabe. Ich kenne das Trainerteam gut und lange und brenne dafür, im Nachwuchs etwas voranzutreiben.“ Sie habe auch Angebote im Frauenfußball gehabt, aber sich darin nicht wirklich wiedergefunden. 

Ich will die jungen Spielerinnen dabei unterstützen, ihren Traum zu verfolgen. Nicht nur spielerisch, auch organisatorisch.

Dazu hat Simic auch schon vor einigen Jahren eine eigene Fußball-Akademie gegründet, mit der sie Camps überall auf der Welt organisiert. Auch in Kulturen, in denen Mädchen gar nicht die Möglichkeit haben, Fußball zu spielen. In diesem Jahr stehen unter anderem noch Camps auf Gibraltar und in Manchester an, die die Ex-Spielerin auch mit ihrem Engagement bei der U17-Nationalmannschaft verbinden will.

So ganz Ex-Spielerin ist Simic aber noch nicht. Auch jetzt, sozusagen im Ruhestand, kann die 32-Jährige nicht lange ohne Fußball und stand wieder schon einige Male auf dem Feld. In Nürnberg, ihrem Heimatort, kickt sie nun beim 1. FCN Traditionsteam. „Ich hoffe, die lassen mich ganz“, scherzt Simic. Ob als Trainerin oder mit Initiativen wie „Play for her“: Julia Simic will das, was sie sich in all den Jahren erarbeitet hat, weitergeben und den Frauenfußball in Deutschland, aber auch in anderen Kulturen, vorantreiben. Denn der Fußball ist, wofür sie schon immer kämpft.

Erschienen in Fußball am 01. Juli 2021

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