Von Idealismus und Ehrgeiz: ERC-Trainer Sohlmann im Interview

Christian Sohlmann (33) ist gelernter Bänker, arbeitet als Versicherungsmakler – und trainiert die Frauen des ERC Ingolstadt in der Eishockey Bundesliga. Wie diese Professionen zusammenpassen, was er am Fraueneishockey schätzt und was ihn ärgert, das erzählt er im Interview.

Für den ERC Ingolstadt stehen gegen die Hannover Indians die beiden letzten Spiele in diesem Jahr an. Die ERC Frauen schließen das Jahr und die erste Saisonhälfte auf dem dritten Platz ab – hinter dem ECDC Memmingen und dem ESC Planegg. Wir haben zum Jahresabschluss mit Trainer Christian Sohlmann gesprochen.

Sportfrauen: Herr Sohlmann, seit sechs Jahren stehen Sie in Ingolstadt an der Bande. Wie kommen Sie dort hin? Sohlmann: Durch meine Freundin Andrea. Sie hat beim ESC Planegg schon in der Bundesliga gespielt, ich beim TV Augsburg Skaterhockey. Als sie nach Ingolstadt gewechselt ist, haben sie dort gerade einen Trainer gesucht. Der ERC war im Jahr zuvor in die Bundesliga aufgestiegen – das hat mich gereizt. Und weil ich seit ich 18 Jahre alt bin einen Trainerschein habe, bin ich dort eingestiegen.

Wenn Sie nicht auf dem Eis stehen, arbeiten Sie in der Bank, oder? Ich bin gelernter Bänker. Mittlerweile bin ich aber Versicherungsmakler für betriebliche Altersvorsorge. Nebenbei studiere ich nun auch Sport Management. Im Umgang mit Zahlen war ich schon immer gut.

Und mit dem Puck. Sie haben selbst schon hochklassig Eishockey gespielt. War die Umstellung auf Fraueneishockey schwierig? Fraueneishockey war eine total interessante Aufgabe für mich, gerade weil es so anders ist. Ich habe bei der Düsseldorfer EG im Nachwuchs gespielt und stand auf Schlittschuhen seit ich drei Jahre alt bin. Ich kenne den Sport. Die taktischen Möglichkeiten bei den Frauen sind aber ganz andere. Weil die Damen keine offenen Checks fahren dürfen, müssen sie jede Situation körperlos lösen. Das ist spannend.

Was für ein Team hat Sie in Ingolstadt erwartet? Nach dem Aufstieg waren die ERC Frauen Vorletzter in der Liga. Die Erwartungen waren dementsprechend niedrig. Bei der Zusammenstellung des Kaders hatte ich freie Hand und konnte mit dem Team sozusagen von vorne beginnen. Und es hat funktioniert. In meinem ersten Jahr wurden wir 5. von sieben und seither stehen wir am Ende der Saison immer auf den vorderen drei Plätzen. Obwohl wir den mitunter am dünnsten besetzten Kader der Liga haben, können wir oben gut mithalten.

Was macht euer Spiel so erfolgreich? Wir haben die Eigenheiten des Fraueneishockeys für uns genutzt. Wir haben gelernt, die Defensive unter Druck zu setzen. Wenn du bei den Männern den Puck durch die Mitte spielst, scheppert es einfach oft. Bei den Frauen kannst du hier taktisch ganz anders vorgehen.

Sie sprechen von einem dünnen Kader. Woran liegt das? Das zieht sich durch die komplette Liga. Von den acht Mannschaften hat kaum ein Team drei Reihen dauerhaft gut besetzt. Das Problem ist vor allem, dass die Damen das als Hobby machen und mit dem Sport nichts verdienen – außer den zwölf Sportsoldatinnen in der Liga. Alle anderen reisen jedes Wochenende auf eigene Kosten quer durch Deutschland, bezahlen ihre Ausrüstung und sogar Mitgliedsbeitrag im Verein. Da gehört eine Menge Idealismus dazu, um das auf sich zu nehmen.

Und im Verein kommt das Team wenig Unterstützung? Die Trainingsbedingungen sind schwierig. Die Frauen haben nicht einmal eine eigene Kabine. Und auch die Zeiten sind nicht optimal. Ich würde da gerne etwas vorantreiben, den Spielerinnen auch mal Schläger kaufen können und sie stärker fördern. Dann funktioniert auch sportlich mehr. Doch bis dahin muss sich noch viel ändern, vor allem in den Köpfen.

Zumindest im Spielmodus hat sich in dieser Saison etwas geändert. Wie finden Sie das neue Play-off-System? Das ist sehr gut. Gäbe es das nicht, wäre die Saison jetzt schon beendet, weil wir die verlorenen Punkte nicht mehr gutmachen könnten. So ist beinahe noch alles offen. Der Saisonstart war nicht einfach für uns, da wir im Sommer einige Abgänge hatten. Das haben wir zu Beginn der Spielzeit gemerkt. Wir bilden gerade einige Spielerinnen aus dem Nachwuchs und der Landesliga aus, aber das braucht eben Zeit. Trotz allem haben wir aber schon einige Punkte geholt.

Wo sehen Sie das Team am Ende der Saison? Mindestens im Halbfinale. Dort könnten wir möglicherweise auf den ESC Planegg treffen. Aber auch das Finale ist drin, dort würden wir höchstwahrscheinlich gegen den ECDC Memmingen spielen. Also Platz zwei oder drei können wir auf jeden Fall holen. Da müssen wir uns aber noch reinhängen.

Mal ehrlich: Das erfordert doch auch von Ihnen eine Menge Idealismus. Na klar. Ich persönlich kann aber einfach nicht verlieren. Das war schon immer so, früher als Spieler und jetzt als Trainer. Ich will hier im Fraueneishockey etwas bewegen und dem Sport, der mich so geprägt hat, etwas zurückgeben. Außerdem mache ich das für die Spielerinnen, die täglich für den Sport alles geben. Davor habe ich großen Respekt und das Engagement meiner Mädels ist mein Antrieb. Hier geht es nicht um Geld. Sondern nur um Eishockey.

Verfasst von Nina Probst

Erschienen in Eishockey am 20. Dezember 2018

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