Kampfsport
Profiboxerin Tina Rupprecht im Porträt: Ein Rohdiamant kämpft sich nach oben
Profiboxerin Tina Rupprecht im Porträt: Ein Rohdiamant kämpft sich nach oben
Zwei Weltmeistertitel hat Profiboxerin Tina Rupprecht schon erkämpft. Im Oktober könnte der nächste folgen. Wir haben die Augsburgerin im Boxclub besucht.
Noch ist es still im Bloxclub Haan im Augsburger Stadtteil Lechhausen. Die Boxsäcke hängen bewegungslos von der Decke, die Nachmittagssonne reflektiert in den Spiegeln. Trainer und Leiter Alex Haan lehnt an der Theke und wartet, bis die ersten Schüler eintreffen. Es ist 17 Uhr. Eine Boxerin ist schon da, obwohl ihr Training erst später beginnt: Tina Rupprecht. Die Profiboxerin verbringt jede freie Minute hier und feilt an ihren Zielen.
Mit einem breiten Grinsen hüpft Rupprecht aus der Kabine, schlüpft unter dem Drehkreuz hindurch. Die Energie der Augsburgerin, 24, blond, 1,53 Meter groß, steckt an. Erst im Mai hat sie sich den zweiten Weltmeistertitel geholt - gegen eine starke Gegnerin aus Venezuela. Diesen und ihren ersten Gürtel will Rupprecht verteidigen und neue dazu gewinnen. Vermutlich hat sie schon im Oktober die Chance dazu.
Semikontakt beim Kickboxen war der zwölfjährigen Tina Rupprecht zu wenig. Ein Kindheits-Freund hatte sie dazu gebracht. "Das hat mich gepackt und ich bin wie eine Verrückte jeden Tag ins Training", sagt sie. Nur eben die Art des Boxens war nicht ihre. Nach zwei Jahren wechselte sie zum Boxen. "Ich wollte immer richtig reingehen." So landete sie vor zehn Jahren im Boxclub Haan.
Die Profiboxerin studiert Grundschullehramt
Skeptisch war Trainer Alex Haan zu Beginn schon. "Ich zähle noch zur alten Schule und Frauen gehörten für mich an den Herd, Männer in den Ring." Als er den Boxclub eröffnete, meldeten sich viele Frauen an und Haan merkte, dass sie anders sind. "Sie sind zielstrebiger und suchen sich den harten Weg." Er steckte mehr Energie in Rupprecht und Co. "Die Tina musste ich ja fast aus der Halle treten", sagt Haan. Nach einem halben Jahr hat Rupprecht hier den ersten Kampf. "Die haben mich gleich in den Ring geschickt."
Mittlerweile, seit ein paar Jahren, ist Rupprecht Profiboxerin. Bis Ende 2013 boxte sie in der Nationalmannschaft olympisch, nun startet sie im Profiboxen. Jeden Tag wird trainiert, vor einem Kampf auch zweimal am Tag. "In den letzten Wochen vor einem Kampf bin ich für nichts anderes verfügbar." Da liegt die Konzentration nur auf der nächsten Gegnerin. Trotz des enormen Aufwands ist Rupprecht gut durch ihr Studium gekommen, sie will Grundschullehrerin werden. Im März 2018 will sie das erste Staatsexamen schreiben. Wie es danach weitergeht, ist noch offen. "Boxen kann ich nur für eine bestimmte Zeit", sagt sie. "Lehrerin sein kann ich immer." Möglicherweise steigt sie deshalb erst später ins Referendariat ein.
Der Aufwand ist auch deshalb so enorm, weil Rupprecht eine Frau ist. Weltweit gibt es in ihrer Gewichtsklasse - dem Strohgewicht - nur gut 130 Frauen im Profiboxen. Für Trainingskämpfe, das sogenannte Sparring, ist Rupprecht mit Trainer Alex Haan deshalb oft unterwegs. "Wir Mädels müssen da zusammenhalten", sagt Rupprecht. Schließlich geht es ihren Kampfpartnerinnen nicht anders.
Auch als Einzelkämpferin geht nichts ohne ein Team
Im Sportstudium musste Rupprecht auch durch Schwimmen, Tanzen, Fußball. Für sie war das immer ein guter Ausgleich. "Und zum Beispiel Schwimmen ist ja auch ein gutes Training fürs Boxen." Die für ihre Größe breiten Schultern und muskulösen Arme kommen schließlich nicht von selbst. Nur mit den Ballsportarten tat sich die 24-Jährige etwas schwerer. "Ich bin eben ein Einzelsportler", sagt sie und lacht.
Auch wenn Rupprecht im Ring auf sich gestellt ist: "Nichts funktioniert ohne ein Team." Alex Haan trainiert sie im Boxen, sein Bruder Sergej kümmert sich um Fitness, Kondition und Ernährung. Und auch sonst steht die gesamte Boxfamilie hinter ihr.
Rupprechts Familie und ihr Freund sind gewohnt, dass die 24-Jährige wenig Zeit hat, unterstützen sie aber voll. Auch deshalb will Alex Haan unbedingt den nächsten Kampf wieder in die Nähe holen. Und der soll schon Ende Oktober steigen. Gegen wen es geht, will Haan nicht verraten. Nur so viel: "Es ist eine erfahrende Gegnerin, die schon über 30 Profikämpfe hatte."
Trainer Haan: "Sie ist ein Rohdiamant"
Gegen sie kämpft Rupprecht um den IBO-Weltmeistergürtel. Die Genehmigung vom Verband liegt bereits vor. Nur die beiden Managements sind noch am Verhandeln. Wo der Kampf genau steigt, ist noch unklar, Haan sucht die geeignete Location. Rupprecht sagt: "Vor allem wenn du daheim boxt, ist der Druck schon groß." Die 24-Jährige hat viele Fans. Aber sie hat gelernt, mit dem Druck umzugehen.
Im Boxclub wird es jetzt etwas voller. Einige Jungs machen sich zum Training bereit. Auch Rupprecht gibt ab und zu Kindertraining und hilft beim Fitnessboxen. "Ich könnte mir schon vorstellen, das in Zukunft verstärkt zu machen", sagt sie. Auch als Lehrerin. "Boxen hat viel pädagogisches Potential und gerade Jungs können dabei Energie herauslassen." Erst konzentriert sich Rupprecht aber auf sich. Ziele hat sie noch genug.
Mit jedem Kampf erreiche sie einen Höhepunkt, ist Trainer Haan überzeugt. Und dennoch: "Sie ist ein Rohdiamant, an dem es immer etwas zu schleifen gibt." Auch bis Oktober will er noch feilen und schleifen. In Russland hat er sich nach Sparring-Partnerinnen umgesehen. Rupprecht freut sich schon auf die neue Gelegenheit, sich zu beweisen. Vor der hohen Belastung scheut sie sich nicht. Im Gegenteil. "Wenn ich mal länger nichts mache, fehlt mir das" sagt sie. "Ohne Boxen kann ich nicht."
Erschienen in Kampfsport am 04. August 2017
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