Kampfsport
Tina Rupprecht erkämpft sich zweiten Weltmeistertitel
Tina Rupprecht erkämpft sich zweiten Weltmeistertitel
Tina Rupprecht vom Boxclub Haan darf sich zweifache Weltmeisterin nennen. Gegen Luisana Bolivar aus Venezuela holte sich die Augsburgerin (24) den IBO-Weltmeistergürtel. Der Kampf ging über die komplette Länge von zehn Runden. Am Ende entschieden die Punktrichter. Eine knappe Entscheidung.
Niemand in der Halle sitzt auf seinem Platz. Die neunte Runde ist gerade vorüber. Ein letztes Mal sitzen Tina Rupprecht und ihre Gegnerin aus Venezuela, Luisana Bolivar, in ihren Ecken. Gisela Ludwig hält es in der vierten Reihe nicht mehr aus. Rupprechts Oma quetscht sich nach draußen, sie braucht Platz. Sie steht da, die Daumen gedrückt und blickt wie hunderte weitere Rupprecht-Fans gebannt auf den Ring. Der Kampf ist extrem knapp. Letzte Runde.
Wo in der Hydrotech Eisarena in Königsbrunn sonst zum Bully gepfiffen wird, ist der Boxring für den IBO-Weltmeisterkampf aufgebaut. Wo sonst die Eishockeyspieler auf der Bank sitzen, werden Pizza und Burger gebruzelt. Wo eigebtlich harte Checks gefahren werden, werden an diesem Abend Haken verteilt. Rupprechts Promoter vom Boxclub Haan in Augsburg haben ein Event organisiert, wie es ein solcher Kampf verdient. Nach dem silbernen WBC-Weltmeistertitel im Oktober wollte Rupprecht den zweiten Gürtel nach Augsburg holen.
Die zehnte Runde schien länger zu dauern als die anderen neun. "Zwei Minuten wie eine Ewigkeit", sagt Oma Ludwig. Sie krallt die Finger in die Oberschenkel und schaut kurz weg. Über Rupprechts Auge blutet ein zweiter Cut, den ersten gab es bereits in Runde drei. Doch die 24-jährige Augsburgerin lässt sich davon nicht beirren. Sie kämpft sich aus der Umklammerung der knapp einen Kopf größeren Bolivar. Noch ein Haken, dann ist es vorbei.
Der Gänsehaut-Faktor ist ähnlich dem, als Stefanie Rupprecht, Tinas Schwester, zu Beginn des Kampfes die Nationalhymne gesungen hatte. "Eine strittige Entscheidung", sagt der Ringsprecher. Rupprecht wird später sagen, dass ihr in der sechsten Runde schon klar war, wie der Kamf ausgehen würde. Rupprechts Oma verbirgt das Gesicht in den Händen. Die Männer um Trainer Alexander Haan rücken näher zusammen. Ein Lächeln liegt auf ihren Gesichtern. Sie ahnen wohl, was wenige Sekunden später der Sprecher bestätigt. "The reeeeeeed corner", ruft er und deutet in die rote Ecke. Rupprechts Ecke. Der Jubel ist ohrenbetäubend.
Was folgt, sind hunderte Fotos mit Freunden, Familie, Trainingskollegen. Die 1,53-Meter-Frau kommt aus dem Posieren gar nicht mehr heraus. "Nie wieder schau' ich da zu", sagt Oma Ludwig. Sie lacht. Natürlich wird sie wieder dabei sein, wenn Rupprecht ihre Titel verteidigt. Die steht gerade bei Boliver, auch mit ihr macht sie ein Foto. "Sie hat geweint", sagt deren Trainer. "Sie hat sich den Titel so gewünscht." Er zollt der Augsburgerin Respekt. Bolivar habe es nicht geschafft, ihre Größe zum Vorteil zu machen. Sie wollen aber aus der Erfahrung lernen "und stärker zurück kommen."
Der Trubel ist vorüber. Zwei Sanitäter haben Rupprecht mitgenommen und versorgen die beiden Cuts. Genäht werden müssen sie wohl nicht. "Ich habe mich voll gut gefühlt", sagt Rupprecht, über den Augen ein überdimensionales Pflaster. Gut gefühlt, obwohl sie wenige Tage vorher noch mit Fieber im Bett lag. Genau wie bei ihrem ersten WM-Kampf. Über Bolivar sagt sie: "Die war unbequem." Trotzdem habe sie sich überlegen gefühlt und sich schon in Runde eins gedacht, dass sie sich nun den Titel holen könne. Jetzt wird sie erst einmal eine Pause machen und sich auf das Grundschullehramts-Studium konzentrieren. Aber nur eine Woche. "Dann wird mir ohne das Boxen eh langweilig."
Außerhalb des Rings: 550 Euro für Rupprechts Handschuhe
Für einen guten Zweck waren vor dem Kampf Boxhandschuhe von Tina Rupprecht versteigert worden. 550 Euro gab es dafür. Das Geld geht an Profiboxer Eduard Gutknecht. Im November war er bei einem Kampf so schwer verletzt worden, dass er in ein künstliches Koma versetzt werden musste. Derzeit kann er weder sprechen noch laufen und wird wohl immer auf Pflege angewiesen sein.
Erschienen in Kampfsport am 08. Mai 2017
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