Leichtathletik

Eine Läuferin über die ersten Schritte zum Marathon

Ein Interview mit Läuferin Victoria aus Bayern über Trainingspläne beim Laufen, Stressabbau und den richtigen Ort für einen Marathon.

Aller Anfang ist schwer - besonders im Laufsport trifft das häufig zu. Läuferin Victoria spricht im Interview über ihre Leidenschaft, wie es ihr beim ersten Marathon erging und warum es sich lohnt manchmal weniger verbissen zu sein.

Victoria, ursprünglich kommst Du aus Passau, aktuell lebst Du jedoch in Regensburg. Wie läuft es sich in beiden bayerischen Städten?

Victoria:Beides sind sehr schöne Gegenden, die ihren eigenen Reiz haben. In Regensburg wohne ich etwas außerhalb, ich laufe gerne an der Donau, aber auch in umliegenden Wäldern und ab und zu fahre ich auch extra Richtung Stadt, um in den Parks dort oder der Altstadt laufen zu können. Lieber ist mir trotzdem meine Heimat im schönen Niederbayern - alles relativ flach, viel mehr Natur und dafür weniger Leute.

Was bedeutet Dir das Laufen ganz generell und wie bist Du dazu gekommen?

Victoria:Ich war in der Pubertät eigentlich eher unsportlich, außer Reiten und ab und an Radfahren habe ich kaum etwas gemacht. Mit dem Laufen habe ich so richtig regelmäßig erst im Studium, also im Herbst 2012 begonnen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, im Mai 2013 den Halbmarathon in Regensburg mitzulaufen - mein erster. Danach bin ich dabei geblieben, allerdings habe ich es im Rückblick betrachtet übertrieben oder mich nicht vernünftig mit Training beschäftigt und bin somit im Sommer 2013 erstmal komplett durch Shin Splints ausgefallen. Auch da habe ich immer viel zu früh wieder versucht, ob ich nicht doch schon wieder länger laufen kann, dementsprechend lange hat es sich dann auch hingezogen.

Wie lange hat es gedauert, bis das Laufen bei Dir zur Leidenschaft wurde? Was ist in dieser Zeit genau passiert?

Victoria:In den 3 Monaten ohne Laufen - lange Zeit konnte ich nicht mal schmerzfrei gehen oder Autofahren - ist mir klar geworden, wie sehr ich das Laufen vermisse. Ich musste im Herbst 2013 dann komplett ohne Kondition von vorne anfangen, aber ich war bei jedem Lauf so dankbar, dass ich wieder schmerzfrei unterwegs sein konnte und wusste es viel mehr zu schätzen. Über die Zeit wurde ich dann leider wieder etwas verbissen, und so bin ich auch im Sommer 2015 nochmals länger ausgefallen - nach einigen guten Ergebnissen - aber ich hatte zu wenig auf meinen Körper gehört. Seitdem habe ich einiges dazugelernt und versuche auch, mein Training wieder weniger verbissen zu sehen.

Treibst Du neben dem Laufen anderweitig Sport? Welche Sportarten sind das?

Victoria: Ja, ich mache grundsätzlich gerne Sport und mag die Abwechslung. Im normalen Alltag laufe ich 4-5 mal pro Woche, gehe 2 mal zum Reiten und 2-3 mal zum Krafttraining. Im Sommer fahre ich auch gerne längere Strecken mit dem Rad. Ich habe mir zum Beispiel gerade erst meinen langjährigen Traum erfüllt: Von daheim 75 km mit 600 Höhenmetern an den Attersee in Österreich zu radeln. Außerdem gehe ich Wandern, im Winter bin ich dann mit Skiern auf der Piste zu finden. Da kommt einiges zusammen.

Im Oktober 2016 bist Du in München zum ersten Mal einen Marathon gelaufen. Wie hast Du den Einlauf ins Olympiastadion erlebt?

Victoria:Das Gefühl war unbeschreiblich - ich wusste ja, jetzt kann nichts mehr schief gehen, und als das Kilometerschild 41 kam, habe ich das letzte Stück nur noch genossen. Gerade in München finde ich den Zieleinlauf einmalig, erst durch die Dunkelheit mit Licht und Musik, und dann im Stadion die letzten paar Meter einfach nur stolz auf sich und zufrieden ins Ziel zu laufen.

Wie bist Du überhaupt auf die Idee gekommen? Wie hast Du Dich damals auf die 42,195 km vorbereitet?

Victoria:Nach einigen Halbmarathon-Läufen war für mich irgendwann klar, dass ich eine neue Herausforderung brauche. Kurzzeitig hatte ich schonmal mit einem Marathonstart geliebäugelt (2013), nur hatte es sich dank Shin Splints ja schnell erledigt. Der Gedanke hatte trotzdem nicht nachgelassen, und als ich längere Zeit ohne Probleme und Schmerzen laufen konnte und auch immer mal wieder Distanzen bis 25 km im Training gelaufen bin, wollte ich es einfach probieren. Problematischer waren die Ortsauswahl (wenn schon Marathon, dann eine schöne Strecke) und v.a. den richtigen Zeitpunkt zu finden, da ich im Studium oft sehr eingespannt bin. Letztes Jahr war mein Sommersemester aber etwas entspannter und in den Semesterferien stand nicht viel an, so dass München im Oktober optimal war. Speziell für den Marathon habe ich dann ab Juli trainiert, bin aber ja mit einem Wochenpensum um die 60 km und Strecken bis 25 km in die Vorbereitung gestartet. Der größte Unterschied war, dass ich kaum noch auf Tempo gelaufen bin und versucht habe, jedes Wochenende einen langen Lauf zu machen, den ich wöchentlich gesteigert habe. Insgesamt bin ich 4x 30-35 km gelaufen, und dadurch hatte ich beim Marathon selbst nicht wirklich zu kämpfen und war auch am Tag danach erstaunlich fit.

Was fühlst Du, wenn Du Dir jetzt nochmal die Marathondistanz vor Augen führst?

Victoria:Zur Zeit laufe ich maximal 15 km, und wenn ich jetzt mit dem Rad 40 oder 50 km unterwegs bin, kommt es mir unvorstellbar vor, dass ich diese Distanz GELAUFEN bin. Meiner Meinung nach braucht man natürlich die nötige Kondition und muss seinen gesamten Bewegungsapparat an solche langen Strecken gewöhnen, aber ab einem gewissen Punkt ist es Kopfsache und man braucht Durchhaltevermögen. Gerade die langen Trainingsläufe haben mir nicht immer unbedingt Spaß gemacht.

Welche Distanz läufst Du derzeit am liebsten?

Victoria:Momentan laufe ich im Training meistens 8 bis maximal 15 km. Dieses Jahr möchte ich nämlich meine Zeiten auf 5 und 10 km verbessern. Auf Halbmarathon hab ich derzeit keine Lust mehr, kürzere Strecken sind auch besser mit meinen anderen sportlichen Aktivitäten vereinbar. Außerdem habe ich meine größten Erfolge immer eher über kürzere Strecken gehabt (z.B. den Firmenlauf Wackersdorf 2016 über 5.8 km gewonnen, beim REWAG Firmenlauf über 6.8 km war ich 3. Frau Gesamt). Unter 8 km finde ich aber immer lohnt es sich gar nicht, sich umzuziehen und loszulaufen.

Was bedeutet Dir das Laufen für Dein eigenes Seelenleben?

Victoria:Sport allgemein und v.a. das Laufen sind für mich essentiell, um glücklich zu sein. Man kann sich Stress weglaufen, den Kopf frei bekommen, und ich sehe gerne, wie viel mein Körper leisten kann. Wenn ich (aus welchen Gründen auch immer) nicht laufen gehen kann, werde ich sehr unausgeglichen und für meine Mitmenschen auch anstrengend. Es ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und gehört zu mir.

Würdest Du mir da zustimmen, dass man durch das Laufen glücklicher werden kann?

Victoria:Definitiv. Vor 2 Jahren ging es mir über längere Zeit sehr schlecht, und gerade in der Zeit hat mir das Laufen auch viel geholfen. Wenn ich wütend, gestresst, traurig oder was auch immer bin, schnüre ich meine Laufschuhe und laufe los, egal bei welchem Wetter. Und auch wenn sich Probleme dadurch nicht lösen lassen, so gehts mir danach doch in jedem Fall besser. Was ich nur selbst mittlerweile dazu gelernt habe: Wichtig ist, den Spaß am Laufen in den Vordergrund zu stellen, und nicht verbissen an Trainingsplänen festzuklammern. Deswegen laufe ich mittlerweile auch komplett ohne Plan, mag kein Intervalltraining und laufe, wie es mir gefällt. Klar, ich könnte vermutlich bessere Zeiten rausholen - aber mir ist mittlerweile wichtiger, die schönste aller Sportarten zu genießen.

Die Veröffentlichung des Interviews entstand in einer Kooperation mit ideale-gerade.de.

Verfasst von Björn Sturm

Erschienen in Leichtathletik, Sportarten am 16. Juli 2017

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