Tennis

Barbara Rittner: „Eine Favoritin in Paris gibt es nicht“

Am kommenden Montag beginnt in Roland Garros das zweite Grand Slam-Turnier des Jahres. Im Gespräch mit Teamchefin Barbara Rittner.

Zum Start der Qualifikation in dieser Woche sprach der Deutsche Tennis Bund mit Fed Cup-Teamchefin Barbara Rittner über das anstehende Event in Paris – die Chancen der DTB-Starterinnen, das Fehlen von Serena Williams und ihr persönliches French Open-Highlight.

Barbara Rittner über… …die Situation von Angelique Kerber:

Sie hat in den letzten Wochen mit ihrem Oberschenkel zu kämpfen gehabt und die Ergebnisse entsprechen sicher nicht ihrem eigenen Anspruch. Ich hoffe, dass sich Angie bei den French Open auf die Stärken besinnt, die sie zur Nummer eins der Welt gemacht haben. Sie hat in Paris keine Punkte zu verteidigen – vielleicht kann sie dadurch befreiter aufspielen. Wichtig ist, dass sie gut ins Turnier hineinfindet.

…die Form von Julia Görges:

Niemand will in der ersten Runde gegen eine Julia Görges ausgelost werden, die gesetzten Spielerinnen haben alle großen Respekt vor ihr. Sie ist in einer unglaublich starken Form und hat in den letzten Wochen gezeigt, dass sie auf Sand jede Spielerin schlagen kann.

…die Aussichten von Laura Siegemund: Wer den Porsche Tennis Grand Prix gewinnt und dabei hintereinander Karolina Pliskova, Simona Halep und Kristina Mladenovic schlägt, der kann auch in Paris ganz weit kommen. Ich traue Laura viel zu, sogar ein überraschendes Halbfinale. Natürlich braucht es dazu ein wenig Losglück und einen guten Start ins Turnier.

… das Comeback von Mona Barthel: Mona ging es über Monate hinweg richtig schlecht. Es gab eine Zeit, da wusste sie nicht einmal, ob sie überhaupt am nächsten Tag selbst einkaufen gehen kann. Nun steht sie mit starken Ergebnissen in diesem Jahr wieder unter den ersten 50 in der Welt – das zeigt ihr Talent und ihr Kämpferherz. Auch Coach Christopher Kas hat an Monas Comeback großen Anteil, er hat sie ganz behutsam wiederaufgebaut. Ich finde Monas Leistung beeindruckend und kann vor ihr nur den Hut ziehen. Ich wünsche ihr, dass es so weitergeht. Wer so etwas durchgemacht hat, der weiß die wichtigen Dinge im Leben zu schätzen, vor allem die Gesundheit.

… das Familienunternehmen Tatjana Maria:

Auch wenn es mit Sybille Bammer oder Rossana de los Rios schon Vorreiterinnen gab: Mit Kind und Kegel zu reisen, ist immer noch eine Seltenheit. „Tadde“ ist meiner Ansicht nach so fit wie nie und macht einen glücklichen, zufriedenen Eindruck. Ich habe sie in der Jugend oft betreut und sie war schon sehr früh sehr gut. Nicht zuletzt aufgrund von persönlichen Rückschlägen konnte sie nicht ganz nach vorne durchstarten. Aber sie hat sich unheimlich toll gefangen und ich freue mich wahnsinnig für sie. Sie ist ein Sonnenschein, ein erfrischendes Mädel und sie spielt zurzeit besser denn je Tennis. Sie hat daher auch für Nürnberg eine Wildcard fürs Hauptfeld bekommen, die hat sie sich verdient.

…die Chancen der deutschen Teilnehmerinnen in der Qualifikation von Roland Garros:

Ich glaube, dass Antonia Lottner und Tamara Korpatsch gute Chance haben, sich zu qualifizieren. Es kommt natürlich auch auf die Auslosung an. Die Qualität, um das Niveau der ersten 100 in der Welt mitzuspielen, haben beide Spielerinnen. Tamara hat sich stetig entwickelt und Antonia ist zwar gesundheitlich noch nicht wieder ganz auf der Höhe, aber nach der Rückkehr zu Trainer Robert Orlik wieder auf dem richtigen Weg. Ich bin gespannt und neugierig auf die Auftritte der beiden.

…das Fehlen von Serena Williams

Serena fehlt nicht nur bei den French Open, sondern generell auf der Damentour. Sie ist einfach eine schillernde Persönlichkeit und ich wünsche mir wirklich, dass sie nach der Geburt ihres Kindes zurückkehrt. Ich glaube allerdings, dass es nicht so einfach wird, wie sie sich das vielleicht vorstellt.

...ihre persönliche Favoritin auf den Sieg:

Das ist unglaublich schwer zu sagen, eine richtige Favoritin gibt es für mich nicht. Simona Halep hat in den letzten Wochen wieder konstant gut gespielt. Titelverteidigerin Garbine Muguruza hat mit Ausnahme des Halbfinales in Rom in den letzten Wochen nicht sonderlich erfolgreich agiert. Aber wenn man an die Stätte eines so großen Erfolges zurückkehrt, ist immer vieles drin. Kristina Mladenovic scheint aktuell auch sehr konstant zu sein, aber ob sie schon für so etwas Großes wie einen Grand Slam-Sieg in der Heimat bereit ist, das ist schwer zu beurteilen. Allerdings meistert sie die vergleichbare Drucksituation beim Fed Cup auch immer hervorragend und nimmt das Publikum unglaublich gut mit. In Paris kommt es immer sehr stark auf die Wetterlage an. Wenn es warm ist und die Bälle springen, dann kann man unheimlich aggressiv spielen. Die Plätze können, wenn es kalt und nass ist, auch sehr langsam werden – dann muss man kämpfen und rennen.

…ihre Erinnerungen an den Sieg gegen Mary Pierce bei den French Open 1996:

Mary Pierce war damals ein Superstar. Wir spielten in der dritten Runde auf einem immer voller werdenden Center Court und am Anfang waren die französischen Zuschauer alle gegen mich. Ich hatte zwei Wochen zuvor bei den German Open in Berlin noch gegen sie verloren. Sie dann in einem so großen Match zu schlagen und zum ersten Mal in ein Grand Slam-Achtelfinale einzuziehen, das war schon besonders. Ich weiß noch, dass ich abends mit meinem Trainer im Hard Rock Café essen war und eine Wiederholung des Matches dort auf einer großen Leinwand gezeigt wurde. Viele der Gäste haben mich erkannt und mir gratuliert, selbst Franzosen. Das war für mich eine ganz neue, aufregende Erfahrung und auf jeden Fall ein ganz spezieller Moment in meiner Karriere.

…ihren Lieblingscourt in Roland Garros:

Ich mag den Court Nummer zwei besonders gerne. Das ist so ein kleiner, gemütlicher, rundherum eingekastelter Platz. Dort werden häufig Franzosen angesetzt und viele Favoriten tun sich besonders schwer. Ich selbst habe auf diesem Court zwar nie besonders gut gespielt, aber auch heute schaue ich dort am liebsten bei Matches zu.

…ihren Lieblingsort in Paris

Paris ist eine Weltstadt und immer eine Reise wert. Ich mag die Atmosphäre mit den vielen hübschen Straßencafés und das lebendige Treiben um die Seine herum. Besonders liebe ich aber das Künstlerviertel Montmartre. Auf den Stufen vor Sacré Coeur kann man wunderbar sitzen und über die Stadt schauen. Das ist für mich ein besonders schöner Ort.

…die Mentalität der Franzosen

Ich muss ehrlich sagen, dass ich mir mit dem Publikum dort immer etwas schwergetan habe. Die eigenen Spieler werden sehr stark unterstützt und als Gegner hat man es nicht leicht. In jedem Fall sind die Franzosen sehr intensiv, das kann von Pfiffen bis hin zu einer Gänsehautstimmung in alle Richtungen gehen.

…den Stadionausbau in Paris

Die French Open sind gegenüber den anderen Grand Slams ins Hintertreffen geraten und müssen dringend etwas tun. Ich habe mir die Pläne zum Um- und Ausbau auch schon angeschaut und finde sie gut. Ein Dach ist für die Fernsehübertragung immens wichtig, damit es keine Ausfälle gibt – das sieht man in Wimbledon. Gerade in den letzten Jahren war das Wetter in Paris immer sehr unbeständig. Es wird also Zeit, dass die Franzosen endlich nachziehen.

Verfasst von Deutscher Tennisbund

Erschienen in Sportarten, Tennis am 23. Mai 2017

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