Wassersport
Auf dem Wasser daheim: Kanutinnen Elena Apel und Selina Jones
Auf dem Wasser daheim: Kanutinnen Elena Apel und Selina Jones
Sie kämpfen gegen die Kraft des Wassers, gegen die Nerven und für ein großes Ziel: Elena Apel (19) und Selina Jones (20) gehören zu Deutschlands besten Kanuslalom-Fahrerinnen. Ein Porträt.
Vier Rennen, ein Ziel: ein Platz im Nationalteam der Kanuslalomfahrer für die Weltmeisterschaft 2018 in Rio (Brasilien). Zweimal gingen Deutschlands beste Kanutinnen dafür am Augsburger Eiskanal, zweimal auf der Strecke in Markleeberg bei Leipzig an den Start. Darunter auch die beiden Augsburgerinnen Elena Apel (19) und Selina Jones (20). Beide sind sie quasi im Boot groß geworden, beide investieren sie alles in den Sport auf dem Wasser. Doch nur für eine der beiden gibt es ein WM-Ticket. Sportfrauen hat sich mit den beiden Sportlerinnen getroffen.
Einen Tag nach dem 3. Qualifikationsrennen am Augsburger Eiskanal sitzen die beiden Kanutinnen im Aufenthaltsbereich des Bundesleistungszentrums. Der Eiskanal mit der berühmten Olympiastrecke ist wie ein zweites Zuhause für Jones und Apel, die beide mit sieben Jahren dort ins Kanutraining eingesteigen sind. "Meine Eltern sind auch gepaddelt und schon als kleines Kind saß ich viel im Boot", erzählt Jones, Tochter von Kanutin Elisabeth Micheler-Jones, die 1992 in Barcelona Olympiagold holte. Auch bei Apel verwundert die Liebe und das Talent zum Paddeln nicht, ihr Papa ist Kajak-Bundestrainer Thomas Apel. "Meine Mama hat lange gehofft, ich werde wie sie Handballerin", sagt Apel und lächelt. "Aber die Faszination des Wassers war einfach zu groß."
Kanutinnen werden im Winter gemacht
Heute verbringen Apel und Jones jeden Tag auf dem Wasser. Vor allem im Winter wird richtig viel trainiert. "Zwei Mal am Tag gehen wir aufs Wasser, einmal in den Kraftraum. Wir trainieren bei jedem Wetter. Nur in diesem Jahr mit Minus 15 Grad war es echt krass", sagt Jones, die als Kind auch Trampolin als Leistungssport ausgeübt hat. Trotz eisgier Temperaturen: Kanutinnen werden im Winter gemacht. Im Sommer folgt vor allem Techniktraining und die Sportler sind ständig unterwegs zu Wettkämpfen oder Lehrgängen. So sind Apel und Jones schon viel in der Welt unterwegs gewesen. Trainingslager in Dubai oder Australien, Lehrgänge und Wettkämpfe in ganz Europa. "Jede Strecke hält andere Herausforderungen bereit. Die Sportart ist dadurch überhaupt nicht eintönig", beschreibt Apel ihre Liebe zum Kanusport.
Als Sportsoldatinnen der Bundeswehr können sich die beiden Augsburgerinnen voll und ganz auf das Paddeln konzentrieren. Apel machte 2017 ihr Abitur, Jones studiert seit vergangenem Herbst Architektur. "Studium, Sport und Job würde nicht funktionieren. Die Bundeswehr gibt uns hier die Möglichkeit, das Hobby zum Beruf zu machen", sagt Jones. Die meisten Freunde haben sie mittlerweile vor allem im Kanuteam, ihr Heimatverein ist Kanu Schwaben Augsburg (KSA). Da beide nicht weit von der Trainingsstrecke entfernt wohnen, bleibt auch vor und nach den Einheiten noch Zeit für Freunde und das ein oder andere Hobby. "Ich habe auch mal Zeit für kreative Phasen und filze dann gerne", erzält Apel.
Kajak oder Kanadier: Große Doppelbelastung für Elena Apel
Am liebsten sitzt sie aber im Boot ‚Äì nur in welchem, da kann sich die 19-Jährige nicht entscheiden. Bei der WM in Rio 2018 wird sie im Canadier Einer (C1), bei der U23 WM in Irvea im Kajak Einer (K1) an den Start gehen. In beiden hat sie die Quali geschafft. "Ich kann mich echt nicht entscheiden, musste in diesem Jahr aber einen Fokus legen. Der Schwerpunkt ist jetzt Kanadier, aber mit dem Kajak kann und will ich einfach nicht aufhören", sagt Apel und verzieht das Gesicht zu einer kleinen Grimasse. Ein Zwiespalt. Und eine große Doppelbelastung. Denn während bei Wettkämpfen wie der WM-Qualifikation die Konkurrenz genügend Zeit zwischen den Läufen hat, um sich auszuruhen, steigt Apel gleich ins nächste Boot um. "Das ist sehr anstrengend und ich stehe immer unter Spannung. Mehr, als sowieso schon."
Die Nerven. Sie spielen im Sport immer mit und manchmal auch dagegen. "Ich bin normalerweise ein richtiges Nervenbündel", gibt Jones zu. Bei der Quali in Augsburg hatte sie aber die Nervosität gut im Griff und zeigte einen tollen Lauf. Bis sie ganz am Ende der Strecke ein Tor nicht richtig erwischte. Und dann war es vorbei mit der WM-Zeit. "Ein Lauf muss von oben bis unten stimmen. Konzentriert man sich eine Millisekunde nicht, kann alles vorbei sein." Und die Chance auf große Wettkämpfe gibt's eben nur im Nationalteam. Bundestrainer Michael Trummer sagt über seinen Schützling: "Selina hatte während der Qualifikationsrennen zu den verschiedenen Nationalmannschaften sehr viel Pech. Völlig unnötige Einzelfehler im Wettkampf, fehlende Wettkampferfahrung und auch fehlende Nervenstärke haben letztlich dazu beigetragen, dass Selina die Qualifikation in diesem Jahr leider nicht gemeistert hat." Er ist aber von ihrem Potential überzeugt und will sie weiter fördern. Jones nimmt es sportlich: "Ich kämpfe und gebe niemals auf!"
Jones: Für meine Leistung bin ich selbst verantwortlich
Gekämpft hat Apel, auch in ihrem Fall mit den Nerven. "Ich bin meist sehr aufgeregt. Im ersten Lauf bin ich noch entspannter aber gerade im Finale ist der Druck enorm. Schließlich will ich dann meine gute Leistung wiederholen." Was sie kann, durften bei den Quali-Rennen alle sehen. Bundestrainer Trummer traut ihr noch viel zu: ""Ich bin sehr erfreut über die gezeigten Leistungen von Elena während der anspruchsvollen vier Qualifikationsrennen. Ich denke, sie wird über die Starts bei diesen internationalen Wettkampfhöhepunkten einen weiteren Leistungssprung machen und gehört damit zu unseren nationalen Top-Sportlerinnen."
Obwohl Jones und Apel allein im Kanu sitzen, die Mannschaft hält zusammen. "Mir ist eine Trainingsgruppe sehr wichtig", sagt Apel. Hier kann sie sich anlehnen, Tipps holen und sich nach Niederlagen wieder aufbauen lassen. Sie freut sich besonders auf Teamwettkämpfe, bei denen sie mit zwei anderen Kanutinnen eine Strecke fährt. "Das ist echt cool." Jones sieht das genauso. Doch sie mag am Kanusport auch, für sich selbst verantwortlich und nicht abhängig von den Leistungen anderer zu sein. "In dem Moment, wo ich schlecht fahre, bin ich allein daran schuld." Vor dem Wettkampf aufwärmen, die Strecke abgehen, sich konzentrieren. Ab diesem Zeitpunkt ist jeder auf sich selbst gestellt. Das große Ziel dabei ist das gleiche: "Wir haben alle den gleichen Traum: einmal zu Olympia." Für Apel geht es jetzt erst einmal zur WM.
Die WM im Kanuslalom 2018 in Rio
Termin: 12. bis 16. September 2018
Ort: Rio de Janeiro (BRA), Est√°dio de Canoagem Slalom Deodoro
Team der Frauen: K1W Ricarda Funk, Jasmin Schornberg, Lisa Fritsche; C1W Andrea Herzog, Elena Apel, Lena Stöcklin
Erschienen in Wassersport am 15. Mai 2018
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